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Teil II. des Beitrags
Auch im Internet: Und das Recht greift doch

Von Klaus Parker

Parker, Klaus, geb. 1952, hat Pädagogik und Rechtswissenschaft studiert. Er lebt in Berlin und ist tätig für das Zentrum demokratische Kultur sowie für das jüdische Internetmagazin haGalil. Dort betreut er unter anderem das Meldeformular für rechtsextremistische Internetseiten.

Der Fall Frederik Toben

Der deutschstämmige Australier Frederic betreibt das so genannte "Adelaide-Institut", eine rechtsextremistische Vereinigung von Holocaust-Leugnern.

Toben schuf auf einem Server in Australien eine Internet-Seite mit Inhalten, die nach deutschem Recht strafbar sind. Während eines Besuches in Deutschland erging gegen ihn Haftbefehl unter dem Vorwurf der Volksverhetzung gemäß § 130 Absatz 3 des deutschen Strafgesetzbuches. Das Landgericht Mannheim verneinte jedoch die Anwendbarkeit deutschen Rechtes auf diesen Sachverhalt. Es führte aus, dass es bei so genannten abstrakten Gefährdungsdelikten keinen "Tatort Deutschland" gäbe und damit das deutsche Strafrecht nicht zur Anwendung kommen könne.

Seit der Entwicklung der Neuen Medien hat fast jede Rechtsordnung die Anwendung ihrer Gesetze bejaht, wenn die entsprechenden Internet-Inhalte im Inland abrufbar waren. Im Bereich der Volksverhetzungsdelikte ergab sich durch die Entscheidung des Landgerichtes Mannheim ein großer Widerspruch: Deutschland ist Signatar-Staat der so genannten CERT-Convention vom Mai 1966 und damit verpflichtet, jegliche Form von Rassismus unter Kriminalstrafe zu stellen. Ebenfalls ist jegliche Beihilfehandlung unter Strafe zu stellen, auch in Form einer bloßen Finanzierung. Nach Sicht des Landgerichtes Mannheim hätte es aber in Deutschland einen straflosen Spenden-Sammelverein für die in Australien mit Wirkung auf Deutschland ausgeübte Volksverhetzung geben können. Denn Beihilfe kann nur zu einer strafbaren Haupttat geleistet werden. Diese aber hatte das Landgericht Mannheim gerade verneint.

Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision ein, der der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2000
(*1) folgte.

*(1) AZ: 1 StR 184/00

Der Bundesgerichtshof führte aus, dass auch bei strafbaren Internet-Inhalten, die vom Ausland her ins Netz gestellt werden, das deutsche Strafrecht gilt, sofern diese Inhalte gerade auf das Publikum in Deutschland zugeschnitten sind. Dann seien der "Tatort Deutschland" und damit die Anwendbarkeit deutschen Rechts gegeben.

Schon vor der Toben-Entscheidung hatte das Berliner Kammergericht mit ähnlicher Argumentation geurteilt: Anlässlich eines Fussball-Länderspiels zwischen Deutschland und Polen in Zabrze, dem ehemaligen Hindenburg in Oberschlesien, entboten aus Berlin angereiste Hooligans vor laufenden Kameras des ZDF den so genannten Hitler-Gruß und brüllten entsprechende Parolen. Diese Handlungen fallen nach deutschem Recht als Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter die Strafvorschrift des §86a Strafgesetzbuch. Der Beitrag des ZDF wurde unter Einschluss der Hooligan-Aktivitäten in Deutschland ausgestrahlt. Sowohl das Amtsgericht Tiergarten als auch das Landgericht Berlin verneinten einen "Tatort Deutschland" und damit die Anwendbarkeit deutschen Rechts. Die Täter hätten ausschließlich in Polen gehandelt, selbst wenn es ihnen gerade darauf angekommen sei, dass ihre Straftaten durch die Ausstrahlung im Fernsehen die beabsichtige Propagandawirkung zeige. Dem widersprach das Kammergericht und hob die Freisprüche der Vorinstanzen auf.
Es argumentierte ähnlich, wie später der Bundesgerichtshof. Wenn es dem Täter gerade darauf ankomme, im Inland zu wirken, müsse auch das inländische Strafrecht zur Anwendung kommen.

Insgesamt sind die zitierten Entscheidungen von erheblicher Bedeutung, auch wenn kaum erwartet werden kann, dass es tatsächlich zu einer nennenswerten Zahl von Verurteilungen kommt, wenn vom Ausland her volksverhetzende Inhalte ins Netz gestellt werden. Die Wirkungen sind vielmehr indirekt.
Täter dieser Distanzdelikte müssen damit rechnen, bei einer Einreise nach Deutschland zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen zu werden. Aus diesem Grund werden sie eine Einreise vermeiden.
In der Vergangenheit haben Rechtsextremisten häufiger derartige Täter auf ihren Versammlungen quasi als Galionsfiguren zu Propagandazwecken vorgestellt. So trat Anfang der neunziger Jahre der britische Holocaustleugner David Irving auf einer Veranstaltung der NPD auf. Wegen der Anmerkung und Propagierung der Schriften von Irving wurde der damalige Vorsitzende der NPD, Deckert, zu einer erheblichen Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Entwicklung der Rechtsprechung zu diesen Distanzdelikten brauchte seine Zeit, führte jedoch zu einem angemessenen und notwendigen Ergebnis. Der Kern des deutschen Strafgesetzbuches stammt aus dem Jahre 1871, mithin aus einer Zeit, als es weder Fernsehen oder gar das Internet gab. Die Rechtsprechung selbst, und nicht etwa der Gesetzgeber hat die Problematik der vom Ausland mit Zielrichtung auf das Inland begangenen Verhetzungsdelikte durch sinnvolle, an die Besonderheiten der Neuen Medien ausgerichtete Auslegung des bestehenden Rechts vorgenommen.

Allerdings war für die relativ schnelle höchstrichterliche Rechtsprechung das Engagement des im Toben-Fall zuständigen Staatsanwaltes Klein ausschlaggebend. Dieser hatte die Bedeutung der Sache erkannt und die Anklage gleich beim Landgericht und nicht, wie beim zu erwartenden Strafmaß üblich, beim Amtsgericht erhoben. Der Instanzenzug bei Anklagen vor dem Amtsgericht erschöpft sich bei den Oberlandesgerichten, in Berlin dem Kammergericht. Ein bundesweit richtungsweisendes Urteil ist, wie die dargestellte Zabrze-Entscheidung aus Berlin zeigt, so nicht zu erreichen gewesen. Erst die Strafkammer des Landgerichtes als Eingangsinstanz eröffnet den Weg zum höchsten deutschen Strafgericht.

Fortsetzung:
Die generalpräventive Wirkung des Strafrechtes

hagalil.com 22-11-2004


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