haGalil onLine ist seit November 1995 im
Netz und entwickelte sich seither zum größten jüdischen Onlinemagazin in
Europa. Mit fast 50.000 Dateien bieten wir umfassende und aktuelle
Information zum jüdischen Leben in Deutschland, Europa und Israel. Mit
1.400.000 Seitenaufrufen (PageViews) erreichen wir jeden Monat 150.000
Leser.haGalil onLine ist aber nicht nur ein vielfältiges und spannendes
Online-Magazin zum Judentum, sondern auch eine der erfolgreichsten
Initiativen gegen rechtsextremistische Propaganda im Internet.
Noch vor 3 Jahren wurde jeder, der im deutschsprachigen Internet
Informationen zu Begriffen wie "Judentum", "koscher", "Schabath" suchte,
durch die Suchmaschinen auf antisemitische Seiten verwiesen,
unvoreingenommene Leser gelangten auf Seiten, die unter Titeln wie "Das
Judentum besser verstehen" rechtsextremistische Gedanken verbreiten. Durch
die Fülle der bei uns angebotenen Information, gelang es inzwischen, die
NS-Seiten auf abgeschlagene Positionen zu verdrängen.
Information gegen Propaganda
Um diesen Erfolg zu halten und auszubauen ist ein kontinuierliches
Engagement notwendig. Nach wie vor nutzen Nazis die Möglichkeiten des
Internet, denn mit Hilfe der neuen Medien gelangt rechtsradikale Propaganda
nicht mehr vornehmlich an jene, die diese speziell suchen und wünschen,
sondern auch an jene, die sich mit Themen auseinandersetzen, die in der
NS-Propaganda irgendeine Rolle spielen.
Eine ganz herausragende Rolle spielen in der NS-Propaganda alle Begriffe
die mit dem Judentum zusammenhängen. Ob es um die Vorstellung eines
"überfremdeten Deutschlands", die "multikulturelle Gesellschaft" oder das
"Gespenst der Globalisierung" geht, im NS-Wahngespinnst steckt hinter allem
stets eine Strategie des "Weltjudentums", der "amerikanischen Ostküste", der
"jüdischen Weltverschwörung". Der Antisemitismus ist weltweit der kleinste
gemeinsame Nenner der Rechtsextremisten. Worte wie "Judentum, Schabath,
Israel, Zion" sind somit wichtigste Schlüsselbegriffe zur Verbreitung von
Lüge, Hass und Gewalt geworden.
Gefährlich ist in diesem Zusammenhang weniger die statistisch erfassbare
Anzahl publizierter NS-Seiten, als vielmehr die Anzahl der "Kontakte" die
eine solche Seite mit den Lesern im Internet bekommt. Um eben diese Kontakte
zu verhindern, haben wir mehrere effektive Strategien entwickelt.
Wahrheit gegen Lüge und Hass
Die wichtigste unserer Strategien kann stark vereinfachend beschrieben
werden als: "auf eine nazistische Seite antworten wir mit zehn unserer
Seiten". Dass diese Methode arbeitsintensiv ist, ist klar. Es ist aber auch
klar, dass diese Methode sehr erfolgreich ist und bei entsprechender
Unterstützung noch viel erfolgreicher sein könnte.
Für Kinder und Jugendliche ist das Internet längst zur beliebtesten
Informationsquelle geworden. Experten sprechen von einer "Wundertüte ohne
Boden". Was sie darin finden, liegt auch an uns. Wir können und wollen weder
auf die weltweite Installation geeigneter Filtersoftware, noch auf eine
weltweit gültige Rechtsprechung zum Thema "Hate-Pages" warten. Während
bisher keiner dieser "offiziellen Ansätze" über das Stadium der Diskussion
hinauskam, wirkt haGalil onLine schon seit Jahren wie ein Block, an dem
antisemitische Seiten auf ihrem Weg zum Leser immer schwerer vorbeikommen.
Präsenz zeigen und ansprechbar sein
Unser zweiter Ansatz basiert auf Untersuchungsergebnissen, die
bestätigen, dass Fremdenfeindlichkeit gerade dort am ausgeprägtesten ist, wo
die Möglichkeit, den "Fremden" kennenzulernen, am geringsten ist. Trotz
Jahrhunderte langer Anwesenheit in Deutschland werden Juden von vielen als
Fremde angesehen. Für viele Menschen in Deutschland ist haGalil onLine die
erste und einzige Möglichkeit, mit Juden ins Gespräch zu kommen. Täglich
gehen bei uns Hunderte von e-Mails ein. Viele dieser Mails stammen von
Schülern, Studenten, Lehrern, Journalisten. Als Thema ist das Judentum in
Deutschland durchaus präsent, nicht präsent sind jedoch Juden als
Ansprechpartner.
Gerade die kommunikativen Fähigkeiten des Internet bieten eine
Möglichkeit zur Überwindung dieser Kluft. Neben unserer redaktionellen
Arbeit widmen wir diesem "kommunikativen Bereich" große Aufmerksamkeit. In
unseren Foren und Chatrooms entstehen unzählige Diskussionen und direkte
"Gespräche", in denen sowohl jüdische als auch nicht-jüdische Positionen
konstruktiv geklärt werden können. Von vielen Bürgern wurden wir als Anlauf-
und Kontaktstelle für den Widerstand gegen Rechts wahrgenommen. In etlichen
Fällen konnten wir lokale Initiativen unterstützen und bedrohte
Einzelpersonen mit Ansprechpartnern vor Ort zusammenbringen.
Hetze ist keine "freie Meinungsäußerung"
Neben diesen inhaltlichen und kommunikativen Ansätzen gewann der
"juristische Ansatz" immer größere Bedeutung. Vor über 3 Jahren stellten wir
das weltweit erste "Formular zur Meldung rechtsextremistischer Seiten" vor.
Seither gehen monatlich über zweihundert Meldungen unserer Leser ein. Den
Anwälten des Fördervereins haGalil e.V. gelang es bisher in zahlreichen
Fällen eine gerichtliche Verurteilung zu
erwirken. Dies steht in extremem Kontrast zur allzu häufig zur Schau
gestellten Unbeholfenheit staatlicher Stellen.
Das Internet als "national befreite Zone"?
haGalil onLine wächst täglich und behindert die nazistische Agitation in
ganz erheblichem Maße. Dies ist den verschiedensten nazistischen
Organisationen und Einzelpersonen natürlich nicht entgangen. haGalil onLine
rangiert in der Abschußliste dieser Kreise ganz oben. Pausenlose Angriffe,
persönliche Bedrohungen und Beleidigungen sind alltäglich. Unsere 'offenen
Foren' mußten wir mehrfach schließen. Immer wieder wurde die Schließung von
haGalil onLine gefordert und freudig angekündigt.
Unser Fortbestand ist für viele ein deutliches Zeichen dafür, dass das
Internet trotz aller Technik ein Medium von Menschen für Menschen ist und
kontinuierlicher Widerstand gegen den Missbrauch des Mediums durchaus
notwendig und möglich ist. Vielen wurde durch die erschreckende Wucht der
Angriffe auf unsere Foren überhaupt erst klar, welches zerstörerische
Potential nazistische Hetze entfalten kann. Dass wir damals nicht aufgegeben
haben, hat vielen Mut gemacht und Argumentationshilfe geboten für ihr
eigenes Handeln im Alltag.
Trotzdem liegt es auf der Hand, dass die beständigen Angriffe unsere
Arbeit beeinträchtigen. Wir mußten Server und Provider wechseln,
kostspielige und aufwendige Sicherheitsvorkehrungen treffen. Die Zeit zur
Akquise von Werbekunden oder Fördermitteln, musste oft genug für Gespräche
mit Staatsanwaltschaften, Landeskriminalämtern und das Schreiben fundierter
Anzeigen verwendet werden. Trotz der beständig angespannten Finanzlage
verzichten wir seit langem auf öffentliche Spendenaufrufe, da diese stets zu
übelster Diffamierung führen.
Internet?
So was ist bei uns nicht vorgesehen!
In Gesprächen mit Mitarbeitern und Entscheidungsträgern der
verschiedensten Behörden, Stiftungen, Unternehmen stoßen wir immer wieder
auf Unverständnis und Unwissen. Vorbehalte gelten nicht nur dem "exotisch"
anmutenden Thema, sondern dem neuen Medium überhaupt. Es zeigt sich, dass
das Internet in seinen Möglichkeiten und in seiner Bedeutung noch nicht
einmal im Ansatz ernst genommen wird. Genausowenig werden Ausmaß und Wirkung
der NS-Propaganda erkannt.
Oft genug wurde uns geraten, das Internet aufzugeben und stattdessen
einen Kochkurs "Matzen backen gegen Rechts" oder einen Häkelabend "Bunte
Kipas gegen Intoleranz" zu organisieren. Auch die Herausgabe einer Broschüre
zum Thema "Nazismus im Internet" wäre finanzierbar. Ansprechpartner aus der
Wirtschaft und in Werbeunternehmen, meinten wohlwollend, wir sollten uns
doch "eher an jüdische Bankdirektoren" wenden.
Ignatz Bubis hat einmal gesagt, von einer Annäherung an eine Normalität
des Zusammenlebens könne in Deutschland erst dann gesprochen werden, wenn
jüdische Initiativen und Projekte als Teil der Gesamtgesellschaft akzeptiert
und gefördert werden. Wenn wir dieses Zitat auf unsere Erfahrungen anwenden,
so sind wir von dieser Normalität sehr weit entfernt.
Während der technische Aufbau des Internets vorangetrieben wurde und die
kommerzielle Nutzung inzwischen selbstverständlich ist, wurde in die
inhaltliche Entwicklung kaum investiert. Das Internet lebt aber weniger von
der Technik, als vielmehr von der Faszination der Leser. Diese Faszination
ist in der Präsenz einer Vielfalt unterschiedlichster Angebote, verknüpft
mit der Möglichkeit zur direkten Kommunikation, begründet.
haGalil onLine ist im Internet entstanden und Teil jener Philosophie, die
das Internet heute auch für den kommerziellen Einsatz überhaupt erst
interessant macht. Unsere vielfältige und lebendige Berichterstattung
ermöglicht die Überwindung von Vorurteilen, Klischees und Befangenheiten. Es
ist hier einigen wenigen gelungen, durch ihr Engagement Präsenz zu zeigen,
und Zivilcourage nicht nur im WWW, sondern auch im Alltag zu fördern.
Minderheiten sind stets als erste durch Hetze und Gewalt betroffen, das
Fortbestehen einer demokratischen Gesellschaft kann aber nicht nur Anliegen
der Minderheiten sein. Jeder muss dazu beitragen, dass die rechtsradikale
Saat nicht noch weiter aufgeht.