Die Aufwertung der NS-Gewaltherrschaft:
Revisionismus
Der Revisionismus, der die Geschichtsschreibung über
die Zeit des Dritten Reichs ändern will, ist zu einem Bindeglied
zwischen den unterschiedlichsten rechtsextremistischen Strömungen
geworden.
Seinen Repräsentanten geht es allerdings nicht um die
Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern gezielt um die
mittelbare Rechtfertigung bzw. Aufwertung der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft durch einseitige, relativierende oder verharmlosende
Darstellung des NS-Regimes. Im Mittelpunkt der revisionistischen
Agitation stehen die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmords an
europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager während
des Zweiten Weltkriegs (Holocaust) sowie die Behauptung, Deutschland
trage keine Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Auf diese Weise
soll das auf seriöser Forschung beruhende Geschichtsbild
propagandistisch unterminiert werden, um die Deutschen von einem
vermeintlich aufgezwungenen „Schuldkomplex“ zu befreien.
Entwicklung und Träger der Revisionismus-Kampagne
Revisionismus war von Anfang an eine internationale
Erscheinung, wobei der Anstoß zunächst aus Frankreich und den USA kam.
Seit Beginn der 50er Jahre erschien eine große Anzahl von Büchern, die
den historischen Nachweis führen wollten, dass es entgegen der
Feststellung seriöser Forscher und Zeitzeugen keine Tötung von Juden in
Gaskammern gegeben habe. Hervorzuheben ist hierbei das 1989
veröffentlichte „Gutachten“ des Amerikaners Fred A. Leuchter, wonach es
in Auschwitz und einigen anderen Konzentrationslagern aufgrund der
technischen Gegebenheiten nicht möglich gewesen sei, Menschen in
Gaskammern zu töten. Dieselbe These verbreitete der Diplomchemiker
Germar Scheerer, geb. Rudolf, ein ehemaliges REP-Mitglied, in seinem
1994 veröffentlichten, 2001 in Zweitauflage erschienenen und bereits
indizierten „Gutachten über die Bildung und Nachweisbarkeit von
Zyanidverbindungen in den ‚Gaskammern‘ von Auschwitz“.
Die international aktivsten Revisionisten leben heute
meist in Ländern, in denen Strafbestimmungen gegen das Verbreiten und
die Veröffentlichung revisionistischen Gedankenguts fehlen. So setzte
sich der deutsche Revisionist Germar Scheerer im Frühjahr 1996 nach
einer Verurteilung (u.a. wegen Volksverhetzung) ins Ausland ab, wo er
seine revisionistische Agitation fortsetzte. In den USA stellte er einen
Antrag auf politisches Asyl, der im Juni abgelehnt wurde. In seinem
Verlag „Castle Hill Publishers Ltd.“ in Großbritannien erschien in der
ersten Jahreshälfte die neue Zeitschrift „The Revisionist: A Journal for
Critical Historical Inquiry“, welche die außerhalb der
anglo-amerikanischen Welt stattfindenden Debatten aufgreifen soll, da
diese von den wichtigen englischsprachigen Revisionistenblättern
weitgehend ignoriert werden. Ferner vertrieb Scheerer eine 54-seitige
Broschüre „Auschwitz. Fakten versus Vision. Der Holocaust und die
Wissenschaft“, in der die gängigsten Behauptungen zur Leugnung der
Massenmorde im Konzentrationslager Auschwitz zusammengefasst sind. In
einer über seinen Verlag verbreiteten Publikation mit dem Titel „Von
Ketzern wird behauptet: ‚den holocaust hat es nie gegeben‘ “ wird in
komprimierter Form über Personen und Positionen des zeitgeschichtlichen
Revisionismus berichtet.
Der wohl bekannteste Vertreter des Revisionismus ist der
international agierende britische Schriftsteller David Irving, der 1993
wegen Leugnung des Holocaust verurteilt und aus Deutschland ausgewiesen
wurde. Gegen ihn bestehen Einreiseverbote in Australien, Deutschland,
Kanada, Österreich und Südafrika. Inzwischen residiert er hauptsächlich
in Key West/Florida.
Ein weiterer Protagonist des Revisionismus ist der
deutsche Staatsangehörige Ernst C. F. Zündel, der 1958 nach Kanada
übersiedelte. Sein Antrag auf Verleihung der dortigen Staatsbürgerschaft
wurde zweimal abgelehnt. 2001 löste Zündel seinen Verlag „Samisdat
Publishers Ltd.“ in Toronto auf und verlegte seinen Wohnsitz in die USA,
da er - nach eigenen Angaben - in Kanada wegen der Einstellung der
„Zündelsite“ ins Internet strafrechtlich verfolgt wurde. Anfang Februar
wurde er wegen illegalen Aufenthalts in den USA verhaftet und nach
Kanada ausgeliefert, wo er sich seither in Untersuchungshaft befindet.
In Deutschland liegt gegen Zündel ein Haftbefehl vor, dessen Grundlage
eine Verurteilung wegen Volksverhetzung aus dem Jahr 1991 ist. Zündel
unterhält internationale Kontakte. Er verfasst und verschickt zahlreiche
Publikationen, darunter in erster Linie den „Germania“-Rundbrief, der
neonazistische und antisemitische Thesen enthält und auch über das
Internet abrufbar ist. Im Internet erscheint ferner seit mehreren Jahren
der Beitrag „Good morning from the Zündelsite“, der - so Zündel - seit
seiner Verhaftung monatlich von mehr als 1,2 Millionen Interessenten
eingesehen wird*. Dort sind u. a. Bücher, die in Deutschland der
Beschlagnahme unterliegen bzw. von der Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften indiziert wurden, mit vollem Text
eingestellt, darunter „Der Holocaust auf dem Prüfstand“ von Jürgen Graf
und „Starben wirklich sechs Millionen?” von Richard Harwood.
*) Im Mai 2004 belegte die Site den Alexa-Rang
135.500.
Das 1979 unter rechtsextremistischer Beteiligung
gegründete Institute for Historical Review (IHR) mit Sitz in
Kalifornien/USA pflegt Verbindungen - auch über das Internet - zu
Rechtsextremisten in allen Kontinenten.
Mit seiner Zeitschrift „Journal of Historical Review“
und vor allem mit seinen jährlichen Kongressen bietet es eine Plattform,
um gegen die Ergebnisse der zeitgeschichtlichen Forschung zu
polemisieren.
Nach Angabe von Germar Scheerer ist das IHR inzwischen
generell in Auflösung begriffen, was das Ende für jede Veröffentlichung
wissenschaftlich-revisionistischer Artikel in englischer Sprache
bedeute.
Das monatlich im Verlag des britischen Rechtsextremisten
Antony Hancock in Uckfield erscheinende „National Journal“, das
ebenfalls mit einer Homepage im Internet vertreten ist, betreibt massive
Hetze gegen Ausländer und Juden und leugnet oder bagatellisiert den
Holocaust. Der Herausgeberkreis führt die Bezeichnung „Die Freunde im
Ausland“ (DFiA).
Die 1985 in Antwerpen gegründete, in Berchem/Belgien
ansässige Organisation Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) hat sich
inzwischen zu einer bedeutenden Vertreiberin revisionistischen
Propagandamaterials entwickelt. Sie verfügt über weltweite Kontakte zu
führenden Revisionisten und bietet nahezu alle wichtigen, in Deutschland
teilweise beschlagnahmten oder indizierten revisionistischen
Veröffentlichungen an. Seit Anfang 1997 gibt die V.H.O. die
revisionistische Zeitschrift „Vierteljahreshefte für freie
Geschichtsforschung“ (VffG) heraus. Autoren sind u. a. David Irving,
Robert Faurisson und Germar Scheerer; letzterer fungiert seit September
1999 auch als Herausgeber. Die Schrift rechtfertigt die Politik des
Dritten Reichs und leugnet den Völkermord an den europäischen Juden.
Ferner polemisiert sie gegen die angeblich ungerechtfertigte Verfolgung
der Revisionisten.
*) Im Mai 2004 belegte die Site den Alexa-Rang 105.000.
Der führende Aktivist des rechtsextremistischen
Intellektuellenzirkels „Deutsches Kolleg“ und ehemalige
Prozessbevollmächtigte der NPD im Verbotsverfahren
Horst Mahler enthüllte am 30. Juli mit weiteren
Rechtsextremisten auf der Wartburg bei Eisenach/Thüringen Transparente
mit der Aufschrift „Den Holocaust gab es nicht“, „Die Wahrheit siegt“
und „Die Lüge vernichtet sich selbst“. Ursprünglich war diese Aktion im
ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
geplant; durch Beschränkungsmaßnahmen nach dem Pass- und
Personalausweisgesetz konnte jedoch Mahlers Ausreise nach Polen
verhindert werden. Am 9. November konstituierte sich auf Mahlers
Initiative der „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des
Holocausts Verfolgten“ (VRBHV). Dem Verein haben sich zahlreiche
Revisionisten angeschlossen. In der Gründungserklärung heißt es:
„Es war der Beginn der großen Lüge, die endgültig zu Fall zu bringen
Anliegen unseres Vereins sein wird: Der Auschwitz-Lüge.“
Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus
Der amerikanische Neonazi und Propagandaleiter der NSDAP-Auslands- und
Aufbauorganisation (NSDAP-AO) Gary Rex Lauck tritt nach wie vor durch
den Versand neonazistischer Propagandamittel in Erscheinung. Über die
Homepage der NSDAP-AO im Internet können Hakenkreuzaufkleber, Fahnen und
Abzeichen des Dritten Reichs, Filme und Bücher aus der NS-Zeit (z. B.
„Jud Süß“, „Der ewige Jude“ „Mein Kampf“) sowie CDs mit Marschmusik und
Hitler-Reden bestellt werden. Das Angebot enthält ferner Computerspiele
wie „KZ-Rattenjagd“ und „Der SA-Mann“ zum kostenlosen Herunterladen. Im
Winter 2002/2003 gab Lauck nach einer Pause von rund acht Monaten eine
neue Ausgabe des „NS-Kampfruf“ heraus.
Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2003 /
Pressemitteilung 109/04, München /
stmi.bayern.de---verfschbericht2003.pdf
Plattform zur Verbreitung verfassungsfeindlicher
Ziele:
Informationelle Vernetzung
Seit Jahren nutzen Rechtsextremisten die moderne
Kommunikationstechnik, insbesondere um die nach den Verboten
neonazistischer Organisationen weggefallenen Kontaktmöglichkeiten zu
ersetzen. Der Zugriff auf das Internet - einen weltweiten, rechtlich und
tatsächlich schwer fassbaren Raum - bietet Rechtsextremisten eine
willkommene Plattform zur Verbreitung verfassungsfeindlicher Ziele...
Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2003:
Rechtsextremismus
In der Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten
sind mit dem geplanten Sprengstoffanschlag der Kameradschaft Süd in
München sowie der Versendung antisemitischer Drohbriefe mit einem
kristallinen Pulver, zwei terroristische Straftaten enthalten. Innerhalb
der Kameradschaft Süd hatte sich nach den bisherigen Ermittlungen des
Generalbundesanwalts ein Kreis um ihren Führer Martin Wiese gebildet,
der sich nach Bewertung durch die Generalbundesanwaltschaft zu einer
terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen hatte...
Bayerns Verfassungsschutzbericht 2003:
Antisemitismus verbindet
Islamismus, Rechtsextremismus,
Linksextremismus...
hagalil.com
13-05-2004
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