SS aus dem Netz gefischt
Auktionator von Nazi-Devotionalien zu Geldstrafe wegen rechtsradikaler
Propaganda im Internet verurteilt. Hinweis auf die Verfassungwidrigkeit
der angebotenen Obkjekte genügt nicht
von DANIEL FERSCH
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Inhaber des "Berliner Auktionshaus
für Geschichte" gestern wegen der öffentlichen Verwendung von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von
2.100 Mark verurteilt. Der 37-jährige Jens W. hatte auf den
Internetseiten des Auktionshauses für eine Versteigerung von
Gegenständen mit Nazisymbolen geworben. Unter anderem standen eine
Leibstandarte von Adolf Hitler und ein Fanfarentuch der SS zum Verkauf.
Bei dem Urteil könnte es sich um einen Präzedenzfall handeln.
Das Zeigen und Benutzen von verfassungsfeindlichen Symbolen steht nach
Paragraf 86 a des Strafgesetzbuches unter Strafe. Von dem Verbot
ausgenommen ist nach der so genannten Sozialadäquanzklausel nur die
Verwendung für aufklärerische, künstlerische oder wissenschaftliche
Zwecke. Auf diese Klausel hatte sich der Angeklagte wiederholt berufen.
Auf der Internetseite fand sich ein Hinweis, nach dem die Gegenstände
nur für die besagten Zwecke verkauft würden.
Diesen Einwand ließ die Richterin jedoch nicht gelten. Die Nazisymbole,
unter anderem SS-Runen und Hakenkreuze, seien auf der Homepage für
jedermann zugänglich gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung. Ein
Hinweis auf die Verfassungsfeindlichkeit der Symbole genüge nicht, um
die Verwendung als Propaganda zu verhindern. Außerdem, so die Richterin
weiter, habe der Auktionator die Nazidevotionalien als "Highlights" der
Versteigerung angepriesen. Dies sei eine "Instrumentalisierung der
Symbole zu kommerziellen Zwecken". Von einer wissenschaftlichen oder
aufklärerischen Absicht könne keine Rede sein.
Klaus
Parker, Mitglied des jüdischen Internetdienstes Hagalil e. V.
und Sprecher der Anwaltskanzlei, deren Anzeige das Verfahren eingeleitet
hatte, begrüßte das Urteil. Er hält das gestrige Urteil für einen
Präzedenzfall. Seines Wissens nach sei es das erste im
Strafrechtsbereich, das einen Hinweis auf einer Internetseite für
"rechtlich unwirksam erklärt, wenn es eine Scheinerklärung ist".
Man könne nun nicht mehr mit
Nazisymbolen reißerische Kundenwerbung betreiben und sich
gleichzeitig davon distanzieren, so Parker. "Das Urteil hat sicher eine
Signalwirkung."
Die Auktion selbst wurde vom Gericht gestern nicht als rechtswidrig
befunden. Obwohl mindestens 2.000 der etwa 7.000 Artikel, die zum Erwerb
standen, aus der Zeit des Nationalsozialismus stammten, könne "der
Beweis nicht geführt werden", dass die Käufer die Stücke zu
rechtswidrigen Zwecken erwerben. Dafür spreche, dass die Auktion nicht
öffentlich durchgeführt worden sei. Teilgenommen hätten nur solche
Bieter, die zuvor einen Katalog bestellt hatten.
Der gestern Verurteilte hatte sich gegen den Vorwurf, mit
"Dritte-Reich-Artikeln" zu handeln, gewehrt und mehrmals beteuerte, sein
Geschäft, aber auch seine Kunden seien seriös. Es handele sich meist um
Sammler, die ihre Sammlungen vervollständigen wollten. Selbst die
Gedenkstätte Sachsenhausen zähle zu seinen Kunden, verteidigte sich der
Auktionator. Er versteigere bei seinen vier-, fünfmal jährlich
statfindenen Auktionen jeweils mindestens 7.000 Exponate, hob Jens W.
während des Prozesses hervor. Mit der Hand voll Objekten, die ihn nun
vor Gericht gebracht hätten, sei doch keine Propaganda zu treiben, so
der Angeklagte. Was außerdem die Käufer mit den ersteigerten Objekten
nach der Auktion anfingen, so Jens W. weiter, sei nicht mehr seine
Sache.
Das Strafmaß fiel - bei einer Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis -
mit 30 Tagessätzen zu 70 Mark recht niedrig aus. Als strafmildernd
wertete das Gericht vor allem den kurzen Zeitraum von zwei Wochen, in
denen die Seiten online waren.
Berliner Auktionshaus:
Gebrauchte KZ-Kleidung im Angebot
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