Wer sich vor wenigen Jahren im Internet über jüdische Feiertage
informieren wollte, geriet schnell auf antisemitische Seiten. Dort
wurden die Suchmaschinen bei Begriffen wie "Schabath" oder "Purimfest"
als erstes fündig. Das hat sich inzwischen geändert: Hagalil, das größte
jüdische Online-Magazin Europas, setzt der braunen Flut ein Noch-Mehr an
seriöser Information entgegen.
"100 Seiten Wahrheit gegen jede Seite Lügen und Hass" ist das Motto des
Magazins. Mit mittlerweile mehr als 65.000 Dateien informiert es über
jüdisches Leben in Europa und Israel - und versucht damit, Leute wie
Horst Mahler schon rein quantitativ zu verdrängen. Der nach rechtsaußen
gedriftete ehemalige RAF-Anwalt ist einer von denen, die das Internet
für ihre rechtsextreme Propaganda nutzen. Das Purimfest beschrieb er auf
seiner Website als "finstere Orgie" und "blutigen Rausch", in dem Juden
die "Abschlachtung der persischen Widersacher" feiern würden.
Hagalil erreicht inzwischen jeden Monat 140.000 Leser: Hauptsächlich
Schüler und Studierende besuchten die Seiten, sagt David Gall. Er hat
das Online-Magazin 1995 gegründet. Inzwischen helfen drei
hauptberufliche und zwölf ehrenamtliche Mitarbeiter mit, Informationen
über das Judentum zu verbreiten und Foren zum Diskutieren zu bieten. Für
ganz besonders wichtig halten das die Betreiber gerade da, wo es kaum
Juden gebe - wie in Deutschland.
1.300 antisemitische Seiten standen laut Verfassungsschutz zu
Jahresbeginn im Netz - 65 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Gall schätzt,
dass sich mindestens 80 Prozent aller rechtsextremen Propaganda auf
Juden bezieht: "Irgendwann landet man immer bei der jüdischen
Weltverschwörung." In ihrem Antisemitismus seien sich alle
Rechtsextremisten weltweit einig. Aber nicht nur sie: "Wie tief in der
Mitte der Gesellschaft antisemitische Stimmungen wurzeln, zeigt sich
zurzeit auch in den Foren der FDP", sagt Gall. Ein anderes Beispiel: Ein
Geschichtslehrer bemängelte in einem haGalil-Forum, dass es zu viele und
zu große Synagogen für nur wenige Juden gebe. Antisemitismus - als "gut
gemeint" getarnt: "Er meinte, wir sollten uns überlegen, welche Stimmung
das bei den Deutschen wecken würde."
1997 entwickelte Hagalil das weltweit erste "Formular zur Meldung
rechtsextremer Seiten". Seither gehen monatlich durchschnittlich 200
Meldungen von Lesern ein, berichtet Gall. Anwälte, die ehrenamtlich
mitarbeiten, überprüfen sie und erwirken gegebenenfalls eine
gerichtliche Verurteilung. Mit großem Erfolg: "Mehr als die Hälfte der
Fälle, die sanktioniert werden, sind durch unser Formular vor die
Gerichte gelangt." Mahlers Website ist übrigens inzwischen gesperrt -
allerdings nicht wegen der Inhalte: "Anlass war, dass er seine Rechnung
drei Monate nicht bezahlt hatte", sagt Gall.